Studierende und Lehrende im Land Bremen stehen gerade aufgrund der aktuellen COVID-19-Pandemie vor großen Herausforderungen. Die Einschränkungen des Hochschulbetriebs, geschlossene Bibliotheken, Absagen der Präsenzlehre sowie die Isolation führen zu einer angespannten Situation. Auch abseits der Hochschulen ergeben sich Schwierigkeiten, die Einfluss auf das Studium haben.
Studierenden brechen die Jobs und die finanzielle Unterstützung der Eltern weg. Viele müssen sich jetzt um kleine Geschwister oder zu pflegende Angehörige kümmern. Gerade in Bremen, wo viele Menschen von Armut bedroht sind, stellt dies große Hindernisse auch für Studierende dar.
Die Absage der Präsenzveranstaltungen und die Umstellung auf digitale Lehre werden neue Probleme mit sich bringen und alte verschärfen. Schon jetzt wird das Lehrangebot eingeschränkt und es ist noch unklar, welche Prüfungen überhaupt in welcher Form stattfinden werden. Wir bezweifeln zudem sehr, dass der ohnehin unterfinanzierten Uni Bremen so schnell eine gelungene Umstellung auf digitale Lehre gelingt, die den didaktischen Ansprüchen, aber auch umfassender Barrierefreiheit und Datenschutz gerecht wird.
Wir sehen im Gegenteil die Gefahr, dass soziale Unterschiede jetzt noch viel deutlicher hervortreten werden. In einer lauten Familie oder Wohngemeinschaft, mit schlechtem Laptop und auf engem Raum studiert es sich beispielsweise viel schlechter als in den Räumen der Universität mit Zugang zur Bibliothek. In vielen Haushalten wird es schlicht unmöglich sein, immer einen ruhigen Arbeitsplatz zu den Seminarzeiten zu garantieren. Studierende, die ihren Job verloren haben, müssen in erster Linie erstmal finanziell über die Runden kommen und haben weniger Zeit, weniger Geld, geschweige denn den Kopf für ein ‘normales’ Vollzeitstudium.
Sowohl Studierenden, als auch Lehrenden muss bewusst sein, dass das kommende Semester nach dem Schema trial-and-error laufen wird. Das bedeutet, dass Probleme auftreten werden. Sei es, weil bei einer Videokonferenz mit zwanzig Leuten die Konzentration fehlt, etwas konstruktives beizutragen oder weil eine Prüfungsnote zu spät kommt, da Dozierende gerade noch mehr zu tun haben als sonst. Sei es, dass Pflichtpraktika im Ausland gerade nicht absolviert werden können, oder Beratungsstellen überlastet sind. Deshalb gilt für alle: Es kann nicht erwartet werden, dass dasselbe Leistungsniveau erbracht wird wie in jedem anderen Semester.
Das mindeste, was die Hochschulen und Landesregierung jetzt tun müssen, ist die Rahmenbedingungen so anzupassen, dass der Druck auf Studierende und Lehrende reduziert wird und für Studierende keine Nachteile daraus entstehen, dass Sie nicht so studieren können wie sonst.
Deshalb schließen wir uns als AStA der Uni Bremen den Forderungen des bundesweiten Bündnisses „Solidarsemester“ an: solidarsemester.de
Wir unterstützen in Bremen ausdrücklich due Initiative TVStud mit ihrem offenen Brief an die Landespolitik (BITTE UNTERZEICHNEN) und fordern konkreter von der Uni-Leitung und dem Bremer Senat:
KRISENMANAGEMENT: NICHT ÜBER UNSERE KÖPFE HINWEG
- Einen Platz der Studierendenvertretung im Krisenstab der Universität.
Bisher ist diese Forderung seitens der Unileitung mit dem knappen Verweis, es handele sich beim Krisenstab der Uni um ein “reines Verwaltungsgremium“ abgeblockt worden. Für uns ist klar, dass wenn hier Maßnahmen und Regelungen getroffen und koordiniert werden, die uns als Studierende unmittelbar betreffen, diese Politik nicht ohne uns, sondern mit uns zusammen gemacht werden muss. Nicht zuletzt auch deshalb, weil wir als Studis und in der Studierendenvertretung und in den Beratungen an vorderster Front die Probleme mitbekommen, die Studis zur Zeit umtreiben.
FINANZIELLE HILFEN FÜR STUDIS AUSWEITEN
- Die Verlängerung der Frist zur Beantragung eines Urlaubssemesters auf den 30.09.2020. Hintergrund ist, dass im Urlaubssemester auch von Studis Leistungen nach SGBII ( ‘Hartz IV’ ) bezogen werden können, die Frist zur Beantragung eines Urlaubssemesters der 15.02. war. Trotz Verschiebung der Veranstaltungszeit nach hinten und der chaotischen Ausgangslage verweigert sich die Uni hier bisher auf Nachfrage jeder Frist-Verschiebung.
- Eine klare Positionierung gegen den ALG-II-Zugang als Kredit, der zudem innerhalb viel zu kurzer Zeit zurückgezahlt werden muss und Studierende in die Bafög und Fach- bzw. Hochschulsemester und Studienkonten anzurechnen. Eine entsprechende Förderung über die Förderungshöchstdauer nach BAföG soll um ein Semester verlängert werden.
- Es dürfen dieses Semester keine Studiengebühren wie Langzeit- oder Zweitstudiumsgebühren erhoben werden. Darunter verstehen wir auch verdeckte Studiengebühren wie den Verwaltungskostenbeitrag . Bereits gezahlte Studiengebühren für dieses Semester sind zu verrechnen.
- Notfallfonds ausbauen: Wir freuen uns, dass unsere Anregung, den Notfallfonds des Studierendenwerkes mit öffentlichen Mitteln aufzustocken und die Kriterien (etwa bezüglich der bisher verlangten Bürgschaften) zu vereinfachen, um die Mittel insbesondere auch für internationale Studierende zugänglich zu machen. Wir fordern weitergehend, dass erstens Mittel auch rückwirkend zum Anfang der Krise beantragt werden können, zweitens bei einer Erschöpfung des Fonds die Finanzierung darüber hinaus umgehend sicher zu stellen ist und drittens die Regularien um eine klare und transparente Regelung ergänzt werden soll, nach dem die Darlehen in Härtefällen in einen Vollzuschuss umgewandelt werden.
- Semesterticket: Obwohl es keine Präsenzveranstaltungen mehr gibt, das ÖPNV-Angebot eingeschränkt wird, sich fast alle Studierenden gemäß der aktuellen Maßnahmen zuhause aufhalten und unsere Einkommen wegbrechen, zahlen wir aktuell weiterhin das volle Semesterticket für dieses Semester. Schon der Krise haben wir verlässlich über 12% des jährlichen Umsatzes der Verkehrsbetriebe ausgemacht- und jetzt wo der Großteil aller Fahrten eingebrochen ist, umso mehr: Die Notfallfinanzierung dieser Unternehmen & zentralen Infrastruktur hängt zur Zeit ausgerechnet an ohnehin prekären Studis. Und das, obwohl schon vor Corona monatelange Verhandlungen mit den Verkehrsbetrieben dazu geführt wurden, dass das Ticket für Studierende schlicht zu teuer wird. Erst Recht die Finanzierung von Härtefällen kann bei dem anstehenden Bedarf nicht vom AStA geleistet werden. Wir fordern deshalb, dass das Land diese Finanzierung des Tickets für mittellose Studis unmittelbar übernimmt und sich zusammen mit den ASten für günstigere, sozial verträgliche Preise für den öffentlichen Nahverkehr einsetzt, denen sich die Verkehrsbetriebe in den Verhandlungen bislang verweigern.
STUDIEREN IN DER KRISE
- Wer Prüfungsleistungen ablegen möchte, sollte das natürlich auch im Sommersemester 2020 machen können. Das bedeutet aber nicht, dass andere Studierende irgendeinen Nachteil davon haben sollten. Den Umfang, in dem für ihn*sie studieren möglich ist, soll jede*r für sich selber bestimmen – Studieren soll im Sommersemester 2020 optional sein.
- Alle in diesem Semester abgelegten Prüfungen müssen als Freiversuch zählen. Prüfungen, die aktuell verschoben werden, dürfen nicht verpflichtend im Sommersemester nachgeholt werden müssen. <
- Bei der inhaltlichen Konzipierung des Semesters muss der zusätzliche Organisationsaufwand berücksichtigt werden, damit die Extra-Arbeit nicht auf Lehrende und Studierende abgewälzt wird. Veranstaltungen könnten zum Beispiel in geringerer Frequenz stattfinden und nur der dadurch verringerte Umfang an Stoff abgeprüft werden.
- Zusammen mit den Studierendenvertretungen sollen Regelungen gefunden und bestehende Regelungen erweitert werden, um krisenbedingt verschärfte Nachteile auszugleichen Nachteile auszugleichen, die z.B. durch parallele Sorgeverpflichtungen oder eingeschränkte Internetzugänge auftreten. (Etwa flexible Prüfungstermine für Erziehende)
- Alle auslaufenden Studienordnungen und Studiengänge müssen mindestens um ein Semester verlängert werden.
- Zwangs-Exmatrikulationen müssen für ein Semester ausgesetzt werden.
- Digitale Lehre darf jetzt erst Recht keine Ersatz guter Didaktik sein. Und Zusatzangebote an Lernmaterial, wie etwa das zur Verfügung stellen alter Vorlesungen, dürfen nicht (z.B. über vom Durchschnitt oder der Kurs-Bestnote abhängigen Bewertungsschemata im falschen Interesse an einer Notenverteilung nach gaußscher Normalverteilung) dazu führen, dass faktisch die Anforderungen an alle erhöht werden.
- Datenschutz und Barrierefreiheit sind auch bei der Digitalisierung zu berücksichtigen. (Längere Verfügbarkeit von Vorlesungen für Studis mit Kind z.B.)
- Eine generelle Bescheinigung der Uni, dass fach-unabhängig in diesem Semester nicht ohne erheblichen Mehraufwand die übliche Studienleistung erfüllt werden kann, damit eine Verlängerung von Bafög und Stipendien-Geldern unbürokratisch und ohne individuelle Einzelfallprüfung erfolgen kann. Student*innen sind hier nicht in der Bringschuld, nachzuweisen, warum sie ihre Studienleistungen nicht erbringen konnten. Die COVID-19-Pandemie hat uns unverschuldet in diese Notlage gebracht.
- Verpflichtende Auslandaufenthalte aus dem Curriculum streichen. Stattdessen muss Studis gestattet werden, alternative Prüfungsleistungen als Ausgleich zu erbringen, um zu verhindern, dass Studis durch die COVID-19 bedingte Verschiebung von verpflichtenden Auslandsaufenthalten oder Praktika in Zeit- und/oder Geldnot gebracht werden.
- Aufenthaltsbescheinigungen zu Studienzwecken für internationale Studierende müssen auch ohne abgelegte Prüfungsleistungen verlängert werden.
FÜR STUDENTISCHE BESCHÄFTIGTE
- Allen Beschäftigten der Hochschulen, einschließlich der studentischen Hilfskräfte, muss eine Lohnfortzahlung garantiert werden. Um ihnen in der aktuellen Situation mehr Sicherheit zu geben, müssen ihre Verträge um 1 Semester verlängert werden.
- Die für Lehrende und Studentische Hilfskräfte entstehenden erhöhten Vor- und Nachbereitungszeiten , auch die der Tutor*innen, müssen entlohnt werden.
Fragen und Anmerkungen von Studis oder Presse zu den Forderungen an: solidarsemester@asta.uni-bremen.de