Anfang Januar ernannte die türkische Regierung Melih Bulu – ein treuer Parteigänger des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan – zum Rektor der Boğaziçi-Universität. Und das, obwohl die Wahl eines Rektors in der Türkei eigentlich intern stattfindet. Seit Anfang Januar protestieren Studierende und andere Angehörige der Uni gegen den neuen Rektor. Sie sehen nicht nur in der Art und Weise der Ernennung, sondern auch konkret in Bulu selbst einen Angriff auf ein selbstbestimmtes Leben.
Erste Zusammenstöße mit der Polizei und gewaltsame Festnahmen fanden bereits in der frühen Phase der Proteste statt. Die Situation verschärfte sich durch eine Ausstellung von Studierenden, die eine Regenbogenflagge neben der Kaaba abbildeten. Erneut wurden Studierende festgenommen. Zudem wird eine der bekanntesten Sozialwissenschaftlerinnen und ehemalige Professorin an der Boğaziçi-Universität Ayşe Buğra – deren Ehemann bereits in Haft sitzt, als Anstifterin beschuldigt. Ihr Ehemann sitzt bereits in Haft, aufgrund angeblicher Spionage und Beteiligung am Putsch 2016. Protestierende, die für die Absetzung Bulus und Freilassung Inhaftierter auf die Straßen gehen, wird nun “Terrorismus” vorgeworfen. Mit der Festnahme von über 150 Protestierenden haben die Repressionen des türkischen Staates jetzt eine neue Eskalationsstufe erreicht: Mit Gewalt versucht das Regime, den Widerstand gegen den Rektor von Erdogans Gnaden zu brechen und konsequent am nationalistisch-konservativen Kurs festzuhalten!
Nachdem der erste Amtsakt Melih Bulus die Schließung eines studentischen LGBTI+-Clubs war (eine Aktion, die er selbst nicht als Angriff auf die LGBTI+-Community verstanden wissen will), sind die Antworten aus der türkischen Regierung voll von LGBTQI-feindlichen Beschimpfungen der Protestierenden, wie die Bezeichung als „LGBT-Abweichler“ durch den Innenminister.
Die verfasste Studierendenschaft der Uni Bremen solidarisiert sich mit den protestierenden Studierenden und Dozent*innen
Der türkische Präsident Erdoğan persönlich sprach laut Reuters davon, dass den jungen Protestierenden die türkischen „nationalen und spirituellen Werte“ fehlen. Als AStA der Uni Bremen sind wir froh, wenn diese Einschätzung zutrifft und wir in den Protestierenden Studis Gesinnungsgenossen im Kampf gegen Staat, Nation und jegliche Form von nationaler Identität haben.
Unsere Kommiliton*innen in der Türkei fordern den Rücktritt von Melih Bulu, demokratische Wahlen, die Freilassung der Gefangenen und ein Ende der Polizeigewalt. Die verfasste Studierendenschaft der Uni Bremen schließt sich diesen Forderungen an!
Wir erwarten von der Universität ebenfalls ein entschiedenes Eintreten für diese Forderungen und eine Unterstützung von Protesten für ein befreites Leben gerade in den zahlreichen Partnerschulen.